WUT
Herbst ‘19, #2.
In Ismaning sitzt an einem ehemaligen Bauernhof an der Münchner Straße ein alter Mann und vertreibt sich die Zeit bis zum Sterben mit Bier-Trinken und Wütend-Sein.
Von der Kirche ist das Mittagsläuten zu hören – das juckt den Mann nicht, er isst untertags nicht. Morgens ein Brei, abends ein Brot, mehr mag er nicht. Der Rest ist Bier.
Die Schwiegertochter hat es aufgegeben, dem Opa mehr Essen hinein zu infiltrieren. Soll er doch krepieren. Eigentlich – wenn sie ehrlich ist –, je schneller er die Biege macht, desto besser für alle.
„Hurenweiber“, brummt der alte Mann. „San zu nix guat. Bixn. Brunzn. Britschn. Mistamsel.“
Er trägt einen Strohhut und nassgepieselte braune Cordhosen. Wahrscheinlich stinkt er recht – aber keins kommt ihm mehr so richtig nah. Einmal in der Woche steckt die Schwiegertochter seine Bettsachen und die dreckige Wäsche bei 90 Grad in die Maschine, lüftet das Zimmer des Alten. Und sie gibt Obacht, dass der Alte seinen Schmutz nicht in die anderen Räume des Hauses trägt. Wenn er auf der Bank beim Vorgarten hockt, ist er nicht im Weg, das ist schon viel wert. Er muss nicht zum Doktor, war noch nie im Krankenhaus. Früher ist er den Weibsbildern nachgestiegen und hat eine Bärenkraft gehabt. Jetzt verflüchtigt sich die letzte Kraft.
Nur im Kopf wütet es noch.
„Wos woit’s denn? Kennt’s nix, wisst’s nix, hobt’s nix – Bagasch‘, ausgschamte. Saubande. Zipfeklatscher. Kuttnbrunzer. Kniebiesler. Trenzer, loamsiadate.“
Ein Afrikaner kommt mit einer Netto-Tüte das Trottoir entlang, hört den alten Mann seinen Zorn in den Garten belfern – und wechselt die Straßenseite.
Der Alte plärrt hinterher: „Di dawisch i aa no.“
„Die brillanteste propagandistische Technik darf nicht intelligent sein; sie muss sich auf einige Punkte beschränken und sie immer wieder wiederholen. Die niederen Massen sind meistens viel primitiver als wir denken. Das Wesen der Propaganda ist deshalb unentwegt die Einfachheit und die Wiederholung. Es kann also keiner sagen, eure Propaganda ist zu roh, zu gemein oder zu brutal. Sie soll gar nicht anständig sein. Sie soll zum einen Erfolge führen.“
Das hat ein hinkendes kleinwüchsiges Männlein gesagt und dann einem ganzen Volk zugebrüllt, ob es den „totalen Krieg“ wolle. Die Menschen haben gewollt. Da war der Herr Goebbels aber froh.
Tief im Osten gab es auch so einen Grundböser. Ein Kerl mit Schnauzer – nur froh, wenn er es den Leuten so richtig besorgte. Josef Wissarionowitsch Stalin ist in Georgien 1878 zur Welt gekommen und hat als Russen-Chef von 1927 bis 1953 äußerst erfolgreich Menschen vernichtet. Dazu hat er die Massen mit widerwärtigen Wut- und Schmeichelreden furchtbar unter Strom gesetzt. Er war in seinen Augen schon ein toller Hecht.
“Wenn ich einmal nicht mehr bin, werden euch die Imperialisten ersäufen wie einen Wurf junger Katzen.“
Noch einer hat sich auf die Wutrede trefflich verstanden. Langhaarig. Hinterhältig gutmenschlich. Brutal gutes Charisma. Viel Nachruhm. Dafür hat er sich sogar ans Kreuz nageln lassen. Davor hat er Blut-und-Boden-Super-Ansprachen gehalten:
„Ein Heidenvolk wird sich gegen das andere erheben und ein Königreich gegen das andere; und es werden hier und dort Hungersnöte, Seuchen und Erdbeben geschehen. Dies alles ist der Anfang der Wehen.Dann wird man euch der Drangsal preisgeben und euch töten; und ihr werdet gehasst sein von allen Heidenvölkern um meines Namens willen.“
Fehlt nur noch, dass Jesus, des Bairischen mächtig gewesen wäre. Er hätte sie auch zünftig in der Mundart abgewatscht. Neben den Alten in der Münchner Straße hätte er sich gehockt und es in die Welt gegeben.
„Bagasch‘, ausgschamte. Saubande. Zipfeklatscher. Kuttnbrunzer. Kniebiesler. Trenzer, loamsiadate. Zapfn. Haderlumpn. Arschgeign. Zigarettenbürscherl, windige. Rammeln, gscherte. Zeckn, zwiderne.“
Solche Wörter kennt das seltsame Mädchen aus Schweden nicht. Aber in ihrer Wut ist sie groß. Irre, wie sie da vor der UNO steht – und die mächtigsten Menschen des Globus ziehen die Köpfe ein.
„Wie könnt Ihr es wagen? Ihr seid nicht reif genug. Ihr lasst uns im Stich. Wir werden Euch das nie vergeben! Wir werden Euch das nicht durchgehen lassen!“
Das Bankerl neben dem Alten in Ismaning wird voller und voller. Der Joseph hockt da und geifert. Namensvetter Wissarionowitsch neben ihm zählt mit dem Taschenrechner zusammen, mit wievielen Opfern er es ins Guiness Buch geschafft hat. Der junge Mann mit den langen Haaren und den Badelatschen übt, wie man am besten ganz leise ganz böse Drohungen los wird. Und nun quetscht sich auch noch Greta dazu, lutscht am Zopf und denkt sich was Verrücktes fürs Klima aus.
Da tut sie sich nicht schwer.