TOD IM APRIL, TEIL I
berlin, 16.april 2015
Der 16. April 1962 war ein Montag, die Karwoche begann. Das Leben im Kalten Krieg ging seinen hölzernen Gang, die Berliner machten – so gut sie konnten – ihr Ding. Auch Klaus Brueske, Peter Böhme und Jörgen Schmidtchen. Drei junge Männer aus dem Osten, die ihre “Pflicht” taten und mit ihrer Situation haderten. Ihr Ding machten sie – zwei Tage später waren sie tot.
TOD IM APRIL: im “Journal”. Teil I.
Wie war’s denn so, heute vor 53 Jahren?
Der Wetterbericht meldet: “Auf der Südflanke des noch immer kräftigen über Skandinavien und Finnland liegenden Hochs zieht nunmehr trockenere Luft nach Deutsehland, so daß die Bewölkung allmählich auflockert. Wetteraussichten: mäßige östliche Winde, meist aufgelockerte Bewölkung, zum Teil aufheiternd.”
Neuer Premierminister in Frankreich wird Georges Pompidou.
In Lichterfelde nimmt Hildegard Knef – die Schlagersängerin und Sonderbeauftragte des Regierenden Bürgermeisters von Berlin, Willy Brandt – in einem Studio unter der musikalischen Leitung von Gert Wilden zwei Titel auf: “Er war nie ein Kavalier” und “Der Mann mit der Harmonika”. Das ist ihr Wiedereinstieg ins Musik-Business. An der Spitze der deutschen Single-Charts ist in der Karwoche 1962 der Song „Zwei kleine Italiener” von Conny auf Platz 1 zu finden.
Aus dem “Tätigkeitsbericht der West-Berliner Schutzpolizei für den Monat April 1962”: “Der Interzonenverkehr verlief unbehindert. Lediglich am 16.4.1962 kam es infolge schleppender Abfertigung auf Grund des starken Osterreiseverkehrs am Kontrollpunkt Dreilinden zu größeren Kfz-Stauungen und Wartezeiten bis zu 2 Stunden.”

Die Mauer. In den vergangenen Monaten ist sie immer höher und härter geworden. Wer jetzt nicht rüber macht, ist selbser schuld.
In Griebnitzsee schiebt der Gefreite Jörgen Schmidtchen über Nacht Bereitschaftsdienst an der deutsch-deutschen Grenze. Schmidtchen hat einen guten Tag gehabt und geht gern auf Streife. Viel zu tun ist da eigentlich nicht – und die kalten Nächte haben die Kameraden und er endlich hinter sich.
In der Kaserne von Geltow – das ist ein verpennter Ort südlich von Potsdam – mopsen Peter Böhme und sein Kumpel Wolfgang zwei Pistolen und Munition. Sie gehen davon aus, dass ihnen in den nächsten Tagen niemand drauf kommt. Irrtum: Der Diebstahl wird schnell bemerkt, in der Kaserne beginnt die Suche nach den Tätern. Hastig stopfen Peter und Wolfgang ein paar Klamotten und ein bisschen Proviant in die Rücksäcke. Dann verdrücken sie sich und wandern einen Waldpfad entlang in Richtung Norden. In Potsdam werden sie am frühen Morgen sein. Dann müssen sie den Tag überbrücken, in der kommenden Nacht machen sie ernst.

Flucht-Etappe Potsdam. Das erste Ziel von Peter Böhme und Kumpel Wolfgang.
In Friedrichshain trifft sich Klaus Brueske mit sechs Gleichgesinnten in einer Kneipe, trinkt einen über den Durst und noch einen gegen die Angst. Die Sieben reden über ihren Plan, sie spielen das Szenario noch einmal durch. Sie erinnern sich an die letzten Wochen, als sie ausbaldowert haben, wo sie am besten in den Westen rüber machen können. Es wird noch ein netter Abend, Klaus Brueske ist zuversichtlich, dass alles klappen wird. Am nächsten Tag holt er den Lkw – und dann gibt es kein Zurück mehr.
Berlin, 16.4.1962.
Jörgen Schmidtchen.
Peter Böhme.
Klaus Brueske.
Das Leben haben sie noch vor sich an diesem 16. April.
Am 18. werden sie eingesargt.
Morgen: 24 Stunden