WIR SCHAFFEN DAS
scheisszeitenwende 91
„Wie lange warst Du hier nicht mehr?“
„Ist eine Weile her.“
„Na, so ungefähr.“
„Warte.“ Hans Krohn denkt nach – sie muss lächeln, weil er jetzt aussieht wie ein Mann, der sich in einer fremden Stadt verirrt hat und das gerade bemerkt. Sorgenfalten auf der Stirn, ein hilfloser Blick ins Unendliche.
Hans kramt in seinen Erinnerungen. Er denkt laut nach, vielleicht hilft das.
„Ich weiß noch, dass ich wegen eines Meetings in der Stadt war. Ganz in der Nähe war das, hinter der Oper. Es war fürchterlich heiß an dem Tag. Alle haben geschwitzt. Ich habe meinen Laden verkauft – und weil es mir egal war, wie die Geschichte ausgehen würde, war ich ganz locker. Ich war der Älteste im Raum. Der Einzige, der keinen Anzug anhattte. Und ich habe am wenigstens geschwitzt.“
„Was für ein Geschäft war das?“
„Eine Agentur. Ich habe damals schon seit ein paar Jahren mit meiner Frau auf dem Land gelebt – die die Büros waren in großen Städten, eines in Zürich. Wir machten Werbung und Projekte für die Wirtschafte. Nur Premium. War keine Klitsche, und ich hatte den Überblick. 50 Leute. Tolle Geschäftsführer. Mich haben die Leute nur noch bei den wichtigsten Meetings gesehen. Gerade hatten wir das 25-Jährige gefeiert.“
Warum er trotzdem verkaufen wollte?
„Meine Frau ist krank geworden. Da war alles andere egal. Ich wollte nichts mehr mit dem Ganzen zu tun haben. Da kam es mir gerade recht, dass ein Züricher uns unbedingt vom Markt kaufen wollte. Das war…“
Ein Lächeln stiehlt sich in sein Gesicht. Jetzt weiß er wieder, wann genau das war.
„Vor ziemlich genau zehn Jahren ist das gewesen. Als ich zum Meeting ging, habe ich hier im „Belcafé“ gesessen und die Zeitungen gelesen. Ich weiß noch genau, dass ich mich ziemlich gewundert habe. Damals hat die Merkel – ohne große Not – gesagt, „Wir schaffen das“. Dann hat sie noch ein Selfie mit einem Migranten gemacht.
Ich habe mir gedacht, die Frau hat sich nicht mehr richtig im Griff. Die hatte sich ja nie anmerken lassen, wenn sie überfordert war. Ich hatte sie immer bewundert, weil sie nicht aus der Deckung zu kriegen war. Und jetzt sagte sie: Wir schaffen das.
Ich habe damals mit dem Kopf geschüttelt und mir gedacht:
Es wird Zeit, dass ich mit dem ganzen Zirkus nichts mehr zu tun habe. Habe meine Frau angerufen, dass ich abends wieder zu Hause sein würde. Und dann würde es nur noch uns Zwei geben . Und wir würden es sein, die es schaffen.“
„Und? Hat sie sich gefreut?“
„Sehr. Wir haben uns an diesem Vormittag geliebt wie selten. Dann bin ich in diesen Konferenzraum hinter der Oper, habe die schwitzenden Menschen angeschaut, war ganz locker und habe in einer Stunde fürchterlich viel Geld verdient.“