WAS MACHT LULU?
Startschuss: 17. August 2019, 6.00 Uhr. Zielschluss: 18. August 2019, 12.00 Uhr. Dazwischen: 160 Kilometer zu Fuß rund um Berlin. Das Event heißt “Mauerweglauf”. In “Vettensjournal” das Protokoll der Vorbereitung. Es beginnt am 9. März 2019 und endet am 17. August: 22 WOCHEN.
Krohn notiert, 3. August
Ach, ganz vergessen:
Gestern saß ich, auf Sabrina wartend und die „Bild“ studierend, in der Klinik-Cafeteria.
Da weht mich ein Parfüm an, das ich kenne. Unaufdringlich, nicht teuer und nicht billig, den Duft habe ich bisher nur bei einer Frau wahrgenommen.
Zwei Finger drücken leicht an mein rechtes Sternoklavikulargelenk.
„Laila?“
Sie kichert. Tritt so an den Tisch, dass wir uns anschauen können. Ob sie sich nicht auf einen Kaffee setzen wolle? Sie blickt aufs Handy und nickt, eine knappe Viertelstunde habe sie Zeit, dann müsse sie auf Station. Ich hole den Espresso, wir freuen uns übers Zusammen-Treffen.
Die wundernette Laila aus dem vierten Stock. Die mir den Katheter nach der Operation aus dem Leib gezogen hat und immer mit guter Laune ins Krankenzimmer geweht ist.
Laila, mit der sich so luftig flirten lässt, weil wir beide die Grenzen respektieren.
Schön!
„Wie geht’s Lulu?“
Der Nachbar zuckt.
Gut gehe es dem Lulu, sage ich. Pinkeln wie ein Junger könne ich, alles sei am rechten Fleck, die letzten Beschwerden würden sich gerade verpissen.
Prima, sagt sie. Und sonst? Sie kneift verschwörerisch ein Auge zu. Und sonst?
Der Nachbar ist auch gespannt auf die Antwort.
„Ach, das wird schon in Ordnung sein“, sage ich. „Ist nicht so wichtig im Augenblick.“
Sie hat verstanden. „Wie geht es Deiner Frau?“
Heute sei die letzte Bestrahlung. „Sie ist sehr tapfer. Und es ist sehr anstrengend.“
Ja, Laila weiß. Aber wenn einer mal mit den Bestrahlungen durch sei, habe er schon viel geschafft. „Sag‘ ihr schöne Grüße.“
Dann erzählt sie von sich. Ihre Tochter habe prima Noten, die reichen für ein Studium ihrer Wahl. Sie sei so sehr stolz auf das Mädchen. Der Hund sei gestorben, vor zwei Wochen, da habe sie sehr geweint. Klar, er war alt, der Hund – aber er war tief in ihrem Herzen. Bald habe sie Urlaub, der Flug nach Hause sei gebucht. Sie freue sich so sehr auf die Eltern (vielleicht werde sie die Mutter zum letzten Mal sehen, es gehe der alten Dame schlecht). Zum Oktoberfest sei sie wieder zurück. Laila lacht, da könne man ja mal hin, zum Oktoberfest – nur so, als gute Freunde.
Sie schaut aufs Handy. Oje, sie muss sich sputen, die Kollegen werden schon schimpfen, sie schimpfen schnell, die Kollegen, „Du weißt ja, immer schlechte Laune“. Mitreißend, wie sie lacht.
„Schön, dass wir uns getroffen haben. Pass auf Lulu auf, junger Mann. Vielleicht brauchst Du noch.“
Dem Nachbar fällt fast die Brezn aus dem Mund.