SAG’ MIR WAS!
scheisszeitenwende 89
Er hatte ganz vergessen, dass Frauenhaar riecht.
Dass es Augenblicke gibt, in denen nicht mal das Kitzeln von Frauenhaaren in der Nase stört.
Sie räkelt sich.
„Was ist mit Dir? Hast Du gerade gelacht?“
„Weiß ich nicht. Aber mir ist nach Lachen.“
„Warum?“
„Erstens: Eins von Deinen Haaren juckt in meiner Nase. Zweitens: Ich höre die Stadt nicht mehr. Drittens: Du riechst wie meine besten Jahre.“
„Nochmal! Dass ich Dich recht verstehe. Dir ist zum Lachen, weil erstens Du ein Haar von mir in der Nase hast, Du zweitens nichts mehr hörst – und drittens glaubst, dass ich rieche wie im letzten Jahrhundert.“
„Naja, im Grunde hast Du es perfekt zusammengefasst.“
„Na, toll. Aber jetzt wüsste ich doch ganz gern, ob da irgendwo ein Kompliment versteckt ist.“
„Ich erkläre es gern, Madame. Vielleicht bequemt sich Madame auch, sich selbst ein wenig zu erinnern.“
„Aha.“
„Also, weißt Du noch, wie das war bei den ersten Malen? Man hat sich einen Platz suchen müssen, ist mit dem Auto in den Wald gefahren, hat sich mit schlechtem Gewissen in einem billigen Hotel eingemietet, man war im Kino und hat nichts vom Film mitbekommen. Alles musste heimlich sein – und alles hat nach Liebe gerochen. Der andere Mensch, das Schwitzen, das Hotel und das Auto. Ich weiß gar nicht, wie lange ich diesen Geruch nicht mehr hatte.“
„Ja. Erklärung akzeptiert. Komm, ein Kuss. Und jetzt: Was ist das mit dem ,Ich höre die Stadt nicht mehr‘?“
„Großartig ist das. Natürlich höre ich die paar Leute, die noch unterwegs sind. Ich höre auch, dass es angefangen hat zu regnen. Aber all das gehört nicht in mein Leben. Ich höre nur Dich und denke Dich. Wie ein Narr denke ich, man hat uns ins Mittelalter versetzt hat, und wir wollen nicht, dass die Nachtigall nochmal ruft. Weil wir nicht aufwachen wollen.“
„Erklärung akzeptiert. Und schon wieder bekommt der Herr ein Fleiß-Küsschen. Abschluss-Frage: Was ist daran so schön, dass einem ein fremdes Haar in der Nase juckt?“
„Weil es Dein Haar ist. Weil wir hier liegen. Weil ich nicht daran gedacht habe, dass es noch einmal so schön ist.“
„Ach.“
„Ja, so ist das. Ich lache vor Glück – so einfach ist das.“