“PRIESTER”-PINKELN
berlin, 3. februar 2015
Nee, “Sputnik” is keen Russe. “Sputnik” is Balina – mit spanische Wurzeln. Jeborn in Mallorca. Ausjesetzt von beese Menschn. Mit drei Tage halbdod im Park jefunden. Hochjepäppelt. In Balin jelandet. Wat ’n Jlück. Nu is “Sputnik” wohnhafta Schöneberger – mit Datsche in Brandenburg. Und weil sonne preussische Stadt-Land-Töle ’ne Menge erlebt, wird dit jetz uffjeschriebn. Imma wieda und imma wieda: Dit sin dann die Berichte aus “sputniks welt”.
Hinter “Südkreuz” geht die Rute hoch, und “Sputnik” spannt sich kräftig ins Geschirr. Noch über die Autobahnbrücke – er weiß das, das hat man schon zigmal durchexerziert -, dann kommt der Hund von der Leine los. “Sputnik” bebt vor Ungeduld.
“Sitz!” Der Mensch nestelt an der Leine. Endlich ist er fertig.
Frei.
“Sputnik” rennt nach rechts in die Büsche. Vergisst vor Lebensfreude erstmal das Pinkeln. Bremst ab, hetzt ein paar Sprünge zurück, stellt sich mit gekrümmtem Rücken an einen schrundigen Stamm und vertieft sich in die Gerüche auf der Rinde. Da waren doch echt ein paar Kerle vor ihm zugange.
Kein Problem – die strullt er weg. Er markiert ausgiebig, kratzt mit Inbrunst Schnee gegen den Baum und rennt wieder los.
Der Priesterweg ist um acht Uhr morgens ein Paradies. Die Radfahrer auf dem Weg in die Innenstadt sind weg, die hocken sich jetzt schon die Hintern in ihren Büros platt. Keine Kids unterwegs, noch nicht viele Spaziergänger, die joggenden Hausfrauen stören nicht.
Wenn er Glück hat, läuft dem “Sputnik” um diese Zeit die Pudeldame über den Weg. Die ist zwar zurecht gestutzt wie ein überkandidelter Bonsai, aber sie ist verspielt – und wenn die dazu gehörige Menschenfrau (eine mit sehr blonden Haaren und ganz roten Lippen) nicht Acht gibt, dann rennt die Pudeldame zum nächsten Kackhaufen und rodelt drin rum. Dann quiekt die Menschenfrau, was für ein Hundohr zwar schmerzhaft aber doch interessant ist.
Unterwegs ist um diese Zeit auch ein sehr rustikales Paar. Der Mann hat viele Haare im Gesicht und raucht die ganze Zeit. Seine Stimme ist rau wie die eines Bären. Er riecht gut, nach Schweiß und Essbarem, vorzugsweise Fleisch. Sein Hund hat genauso viele Haare wie der Mensch, kann gar nicht richtig aus den Augen schauen. Er ist schon ein bisschen älter, beim Rennen macht “Sputnik” deswegen nicht ganz so enge Kurven, sonst verliert der Andere den Anschluss und die Lust.
Dafür hat er – obgleich von der Größe eines Schafbocks – eine freundliche Art. Er wedelt behäbig mit dem Schwanz, und “Sputnik” darf ihm den Riechkolben in den Hintern stecken, solange er Lust hat. Geil…

Ein schöner Teil von Berlin, dieser Priesterweg. Irgendwann ist er zu Ende – und zurück führt die Wanderung, immer noch ohne Leinenzwang, durch einen interessanten Schrebergarten. Interessant, weil die Menschen dort immer wieder mal Nahrung über den Gartenzaun schmeißen. Ein Stück Brötchen, eine Wurstpelle, Chips, ’ne Möhre.
“Sputnik” nimmt alles.
Man muss schließlich bei Kräften bleiben. Schließlich zehrt so ein Gang über den Priesterweg an den Kräften.
Wie das? Naja, es war so:
Man hatte sich schon total leer markiert. Bein-Heben wurde zur anstrengenden Pflicht. Da erreichte man den Umkehrpunkt der Tour, den Bahnhof Priesterweg. Der ist schon im 1989 erschienen Band “Verloren, gefährdet, geschützt – Baudenkmale in Berlin” verewigt:
“Der S-Bahnhof Priesterweg wurde Ende der zwanziger Jahre als einziger Teil der Bebauungspläne für das Schöneberger Südgelände im Rahmen des Chapman-Projektes realisiert. Ein kleiner Schmuckplatz, der portalartige Eingang und die überhöhte Ecke mit Uhr und Fahnenhalter verweisen auf die explizite urbanistische Disposition des heute als Solitär dastehenden Empfangsgebäudes, das keine adäquate bauliche Erwiderung fand. 1928 durch den Reichsbahnrat Günter Lüttich in der sachlichen Formensprache der Moderne errichtet, gehört die Anlage zu den ersten und auch stilbildenden Beispielen eines neuen Typus des Vorortbahnhofes. Die streng voneinander geschiedenen Funktionsbereiche des Empfangsbereiches artikulieren sich klar in einzelnen Baukörpern. Von grosser ästhetischer Qualität ist das Zusammenspiel ihrer blau-braun changierenden Klinkerschale mit einer an Bruno Taut erinnernden Farbigkeit insbesondere der Fenster und leicht expressionistischen Anklängen in den Details…”
Beeindruckend?
Überhaupt nicht!
Nicht für einen wie “Sputnik”.
Der trabte lässig auf den architektonischen “Solitär” zu, Schnüffelte hier, schnüffelte da.
Er hob das Bein. Wenn nicht alles täuschte, hatte er eine Sorgenfalte auf der Stirn. Dann strullte er. Nein, er pullerte. Nein, er pillerte. Nein, es war ein Tröpfchen.
Basta.
Das musste reichen fürs Baudenkmal.
