HIMMEL NOCHMAL!
“5.45” — Krohn wird umziehen. Weg aus der lauten Stadt. Weg in die Welt. An den letzten 55 Tagen sieht er sich noch einmal um. Lokaltermine, jeden Morgen um dreiviertel sechs in Berlin und im Brandenburgischen. Tag 2, Blick nach oben.
In der Nacht ist ein Gewitter durch die Stadt gegangen. Es war laut und fürchtenswert, danach hatte sich die Luft ein wenig beruhigt.
Nun flanieren breite rosa Wolken ostwärts. Von der Hauptstraße kommt nicht viel Geräusch. Zwei junge Männer tragen ihre Räusche und Bierflaschen nach Hause, die Flaschen werden und werden nicht leer. Es ist genug für heute, die Männer haben Schlagseite und reden lärmend aneinander vorbei.
An der Ampel zankt ein Pärchen. Eine Joggerin stoppt wegen des Rotlichts (müsste sie gar nicht, weit und breit kein Verkehr). Sie läuft auf der Stelle, was läppisch aussieht. Das grüne Männchen leuchtet auf, die Frau setzt sich in Bewegung.
Das zarte Rosa des frühen Sonnenaufgangs verliert an Leichtigkeit, die flachen Wolken quellen auf. Sie runden sich, das Rosa dunkelt, außen wird es grau und dann schwarz. Nun schieben sie die Haufen ungut und massig über Schöneberg.
Das wird kein heiterer Tag, die Touristen werden sich schweißklebrig durch die Straßen schieben, den Autofahrern wird die Gelassenheit abhanden kommen, auf dem Markt werden die Türken noch lauter und noch zorniger ihre Ware in die Welt brüllen, die Martinshörner werden jaulen – und vielleicht werden welche – wie in der letzten Nacht geschehen – einem Penner die Klamotten abfackeln.
Wieder so ein Tag Berlin.
Die Joggerin verschwindet in Richtung Kreuzberg.
Krohn hat mal mit ihr ein Glas Wein getrunken – oben beim Spanier. Sie war hübsch gewesen und wollte lächeln. Nach dem Wein war ihr das auch ganz nett gelungen.
Aber sie hatte ihn verschreckt. Sie war so allein. Klammerte sich an jedes Wort, das er mit ihr tauschte. Sie wollte nicht mehr allein sein.
Er hatte sie nicht mehr getroffen.
Nun läuft sie um kurz vor sechs solo durch eine Stadt, die die Menschen nicht mag.
Das ist hart. Echt hart.