AS TIME GOES BY

scheisszeitenwende 87

 

Der Kellner der Brasserie sieht den Beiden nach. Im Augenblick ist nichts los, keine neuen Gäste, alle Menschen an seinen Tischen sind versorgt – so hat der Kellner Zeit, seinen Gedanken nachzuhängen.

Ein schönes Bild, die Zwei.

Sie sieht verteufelt gut aus. Wie eine Frau, mit der man guten Sex hat.

Der Mann?

Früher trug er immer Anzug. Früher sah man ihm den Erfolg an.

Er wirkte in der Brasserie fremd. Hier trinken die Menschen ein Bier, die zu früh zum Bahnhof gekommen sind.

Und dann sind da die Anderen, die auf keinen Zug warten. Sie haben viel Zeit für viel Alkohol. Geduldig trinken sie ihre Verzweiflung nieder.

Und dann sind da diese Frauen und Männer, die nicht in die „Brasserie“ passen. Wie der Mann, der – mit seinem Rucksack auf den Schultern und der Tasche der sexy Frau in der Rechten – die Halle verlässt. Er geht noch stark und aufrecht – aber er hat keinen Anzug an, stattdessen Jeans und ein Sportsakko. Sein Gesicht ist alt geworden.

Wie lang ist das her? Als er zum letzten Mal hier war mit seinem Anzug? Viel gelacht hat er damals. Und immer soviel Trinkgeld gegeben, dass man sich gern erinnert hat. Aber nie soviel, dass ich dachte: Was für ein Aufschneider!

War ich da schon verheiratet? Nein, ich bin ganz sicher:

Damals war ich noch solo.

Ist also lang vor Corona gewesen.

Sakrament, ich bin schon so lang hier? Ich werde alt.

Das ist Ewigkeiten her mit dem Heiraten. Damals habe ich es für die beste Idee überhaupt gehalten.

Ich Depp.

Jetzt: zwei Schrazen. Die Frau ist aus den Fugen, die wird sich auch nicht mehr berappeln. Nach der Frau dreht sich keiner mehr um. Und bös‘ ist sie auch geworden.

Was für ein Unterschied. Die Dame von eben willst Du Dir am liebsten in Strapsen und Spitzen vorstellen.

Der Typ ist ein Glückspilz.

Lebt immer noch mit seinem traurigen Gesicht und zieht jetzt die Bahnhofstraße hoch zu einem von den guten Hotels.

Naja, ich gönn‘ ihm den Spaß.

Und sein Trinkgeld ist auch wieder gut gewesen.

Also: Glückauf, Kollege!

 

„Herr Ober, kann ich bestellen, bitteschön?“

„Sofort, der Herr. Was darf’s sein“