FEST FÜRS LEBEN
scheisszeitenwende 101
„Das ist also der Prolog?“ Hans sieht an Yves vorbei – er will ihn nicht verunsichern.
„Ja. So fängt es an.“
„Und was willst Du dann erzählen? Was steht in dem Buch?“
„Wie meinst Du das?“
„Ein bisschen Hemingway. Ein paar Absätze Fest fürs Leben. Absynth – oder die Geschichte von der Grünen Fee. Lüste und Leidenschaften. Paris in den 1920ern. Ist das nicht alles Wikipedia auf höherem Niveau?“
„Ich bitte Dich! Nein: Es geht darum, dass sich – eben beispielshalber auch im Paris von 1925 – der Mensch ganz schnell verlieren kann.“
„Yves,…“
Clara unterbricht Hans: „Ich finde das interessant. Yves, habe ich das richtig verstanden, dass Sie…“
„Meitli, Du kannst mich duzen. Wir sind unter uns.“
„Also, Yves, habe ich das richtig verstanden, dass Du erzählen willst, dass es ein ganz schmaler Grat ist zwischen dem Fest fürs Leben und dem Untergang?“
„Genau, miis Schnägg. Das hast Du brav gesagt. Es ist ja auch, wenn ich das aufschreibe, sozusagen, ähh…“
Hans freut sich. Also doch kein Wikipedia-KI-Gelaber:
„Es ist sozusagen autobiographisch.“
„Ja, genau. Wie hast Du es genannt, Meitschi? Schmaler Grat. Vielleicht kennst Du es auch, Klara. Von Dir, mein Lieber…“
Er stößt mit Hans an, der schon – es ist noch nicht mal Mittag – sehr beschwingt ist.
„Von Dir mein Lieber weiß ich, wie es Dich geschleudert hat.“
„Wie?“, begehrt Hans auf.
„Du hast nicht oft geschrieben, seitdem wir uns das letzte Mal gesehen haben. Telefoniert haben wir dreimal, und ich weiß nicht, ob Du Dich dran erinnern kannst (betrunken, wie Du warst). Eins weiß ich: Gut gegangen ist es Dir nicht. Ich habe mir gedacht, ob der nochmal auf die Füße kommt…“
Hans winkt ab.
„Ist schon recht. Hast denn schon mehr geschrieben, als den Prolog?“
„Ja.“
„Magst vorlesen?“
„Weiß ich nicht.“
Clara steht auf, geht um den Tisch und umarmt den alten Mann.
„Tu mir den Gefallen. Ich möcht‘ es hören.“
