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scheisszeitenwende 90

 

Die Straßen schimmern noch vom Regen. Ein Müllwagen fährt in Richtung See. Ein Herr im schlecht sitzenden grauen Anzug mit schwarzem Mantel, eilenden Schritts die Aktentasche ins Büro schleppend. Eine Radfahrerin, behelmt und mürrisch. Die Enten dümpeln verschlafen im unsauberen See. Draußen frühe Boote.

Die Sonne sonnt sich auf dem feuchten Asphalt.

Zürich ist auf Standby.

„Wohin willst Du? Magst Du das Frühstück im Hotel nicht?“

„Es ist okay. Aber ich kann nicht mit den anderen Menschen im selben Raum sitzen.“

„Aber, Hans, mal ganz blöd: Hier sind überall Menschen, das ist eine Stadt, da bist Du umzingelt.“

Hans lacht. Er ist beschwingt und wundert sich, dass ihn das Gespräch so gar nicht beschwert.

„Die Leute hier auf der Straße sind mir egal. Ich kenne sie ja  nicht. Aber die im Hotel.“

„Die kennst Du auch nicht. Oder?“

„Schon. Aber man hat unter einem Dach geschlafen. Das war genug. Neben denen muss ich nicht auch noch ein Ei essen.“

Sie bleibt stehen, sind in der Mitte der Brücke über die Limmat.

Clara sieht Hans forschend in die Augen. Was erzählt ihr der Mann da? Meint er das ernst? Ruhig und aufmerksam schaut die Frau auf der Brücke den Mann an. Er ist freundlich, erwidert offen ihren Blick. Er hat sich rasiert, bevor sie das Hotel verlassen haben. Trägt einen leichten Mantel, Jeans, ein Polohemd, Laufschuhe. Hans sieht ausgeruht und heiter aus.

Ein froher Mann, der nicht neben anderen Hotelgästen im Frühstücksraum eines der besten Häuser der Stadt sitzen will.

Nundenn, dann ist das so.

„Und? Wo willste hin? Mich hungert.“

„Wir sind gleich da. Einer der Lieblingsplätze in der Stadt.“

„Da bin ich ja gespannt.“

Sie nehmen sich an die Händen und kommen an eine rote Ampel. Clara sieht ihn von der Seite an.

Man darf sich nicht wundern, dass man sich wundert:

Wenn man mit einem geschlafen hat, ihn mag – aber nicht weiß, warum. Man weiß ja nur, dass man eigentlich nichts über den Menschen weiß.