HEISSE MASCHIN’


Startschuss: 17. August 2019, 6.00 Uhr. Zielschluss: 18. August 2019, 12.00 Uhr. Dazwischen: 160 Kilometer zu Fuß rund um Berlin. Das Event heißt “Mauerweglauf”. In “Vettensjournal” das Protokoll der Vorbereitung. Es beginnt am 9. März 2019 und endet am 17. August: 22 WOCHEN.

Krohn notiert, 15. Juli

Sabrinas Fight geht in die nächste Runde.

„Ich mache das allein“, hat sie gestern noch gesagt. Okay, wenn sie das so will.

Heute kommt sie verweint aus der Dusche. Wie es ihr denn wirklich gehe, frage ich. Sie murmelt, sie fühle sich beschissen. Eine Heidenangst habe sie.

„Warum lässt Du mich nicht fahren? Ich habe dann ein besseres Gefühl. Du musst ja nicht mit Deiner Angst auch noch auf die Ampeln auspassen.“

Wenn ich meine, okay. Sabrina lächelt vor Erleichterung.

Die Behandlung dauert eine Viertelstunde. Sabrina lässt sich im Anschluss auf den Beifahrersitz fallen und redet sich den Groll von der Seele.

Da stehste in so einer Kabine, nackig, nur noch mit dem Höschen an. Dann holt Dich eine ab. Sie streckt Dir die Rechte entgegen, Du hältst aber mit Deiner Rechten das Handtuch über dem Busen fest.

Da habe ich mir den Spaß gemacht und ihr die Hand gegeben. Jetzt war ich auch obenrum ohne. Hat sie gar nicht gemerkt, die Plotzkuh. Hat nicht mit der Wimper gezuckt, gelacht schon gar nicht. Humor gibt es da drin nicht.

Am Empfang gibst Du Dich doch da ab. Keine Gefühle. Kein Lachen, kein Weinen. Die Menschen sind wie Zombies auf Schienen. Die sind fertig, nur noch Nummern, Vorgänge, Krebsarten.

Ist ja bei mir genauso. Die Schmerzen und die Angst haben mich durchlöchert, die haben mir mein Lachen weg gefressen. Ich funktioniere und bin ganz verzweifelt, wenn ich mir anschaue, was das alles aus mir macht.

Die spaßfreie Assistentin führt mich in den Behandlungsraum. Drei Kolleginnen machen sich an mir zu schaffen. Sie legen mich flach. Rücken den Hintern und den Kopf und die Beine und Arme und den Busen und alles in die gewünschte Position. Eine redet mit schriller Stimme – laut muss sie sprechen, denn die Maschine und die Aircondition summen und schnurren und brummen in einem fort – auf mich ein.

„Wenn wir draußen sind, dürfen Sie sich auf keinen Fall bewegen.“

„Wenn die Maschine sich bewegt, dann ist das ganz normal. Bleiben Sie ruhig, die Maschine wird jetzt perfekt ausgerichtet.“

„Wenn Ihnen schlecht wird, haben wir hier einen Spucknapf für Sie.“

Wenn Sie Angst bekommen, bewegen Sie sich auf keinen Fall. Rufen Sie, dann sind wir bei Ihnen.“

Die Drei verlassen den Raum, ein Physiker kommt, begutachtet alles. Meine linke Brust wird ein paar Zentimeter nach oben geschoben.

Dann bin ich allein mit der Maschine. Ungeheuer groß ist sie, summt in ihrer eigenen Sprache. Unter mir ist die Maschine, über mir schwebt sie wie ein UFO. Sie dreht sich und beäugt mich. Nach links schleicht sie, nach rechts wandert sie. Kommt näher, inspiziert mich, meinen Busen und die Brustwarze.

Noch ein Ruck, dann passiert wohl etwas.

Klack. Fertig. Die drei Assistentinnen kommen, expedieren mich in die Umkleide.

Ich hole mir am Empfang die Termine für den Rest der Woche.

So, das war’s für heute.

Eigentlich, sagt Sabrina, hat sie gar nichts machen müssen. Eigentlich, sagt sie, hat es nicht lang gedauert, und gespürt hat sie schon gar nichts.

Eigentlich.

Aber sie ist so scheiß-verunsichert. So fürchterlich halb und ungesund.

„Kannst Du mich morgen auch fahren“, fragt sie. „Bitte.“

Klar.