ROLF

SPREEMANNSGARN 2   —-    Berlin, 5. Februar 2018

Wenn sie noch beide Beine bewegen kann, wird Maggie heute im „Hecht“ eintrudeln.

So sicher wie das Amen in der Kirche.

Wo sollse sonst heute hin?

Jetzt isses Sonntagmittag, da wacht sie in ihrer Wilmersdorfer Wohnung auf und muss sich erst einmal orientieren. Wird irgendwann angezogen sein und auf ein Frühstück in die nächste Kneipe wandern. Beim ersten Bier liest sie es in der „Bild am Sonntag“ oder sie hört’s im Radio oder einer am Tresen sagt was.

Schon gehört?:

Der Rolf ist tot.

Welcher Rolf?

Na der Zacher. Gestern gestorben in Hamburg im Heim.

Maggie wird es einen dollen bösen Stich geben. Sie wird erstmal einen Schnaps brauchen.

Und dann alle Pläne ändern.

Ja, das wird sie.

Rüber nach Charlottenburg. Wenn nötig, nimmt sie ‘ne Taxe. Und dann nix wie rein in den „Hecht“.

Ist so sicher wie das Amen im Jotteshaus.

 

Abgesehen von dem Herz, das er ihr mal angeknackst hat – der Rolf hat noch Schulden bei ihr. Achje, hat er überall gehabt. Wo der nicht alles hat anschreiben lassen. Als er noch gegiftelt hat, haste aufpassen müssen, dass Dir nicht auf einmal das piece abhanden gekommen ist – während Du begeistert gelauscht hast, wie der Rolf den Bobby de Niro gegeben hat.

Aber das ist alles eine gute Weile her. Rolf hat seine Schulden vergessen – und niemand hat sie eingefordert, weil ihm kaum jemand wirklich etwas übel genommen hat.

Er hat in den „Hecht“ gebrüllt – und da war er lauter als die Jukebox:

„Ick bin ‘n Komet. Denkste, ick verjlüh, dann haste Dir jeschnitten. Hinten brenn‘ ick immer noch.“

Mann, hat der eine Stimme gehabt! Spielen konnte er auch; wenn er auf der Bühne oder vor der Kamera stand, soll er ja auch ein disziplinierter Arbeiter gewesen sein.

Er wusste anfangs gar nicht, dass das Spielen in ihm steckte. Da musste erst einer vom Fach kommen und ihn auf der Straße entdecken.

Zacher war ein Schlawiner, ein rockender Eintänzer, ein Taschenspieler, Säufer und Drogist. In Berlin geboren, in Brandenburg aufgewachsen, in Kreuzberg sozialisiert. Hippie. Sonntagskind. HansguckindieLuft. Hallodri. Knacki. Schlagdrauf aus der Gosse.

Sogar im „Dschungelcamp“ war er auf seine alten Tage und hat den Anderen erklärt, was Tantra-Sex ist.

Und er hat diesen staunenden „Ich-bin-ein-Star-holt-mich-hier-raus“-Nullnummern erzählt, wie er mal mit der Romy Schneider aufm Hotelzimmer verschwunden ist. „Wegen der Romantik“.

 

Jetzt macht er bei keinem mehr Schulden. Jetzt ist Schluss mit Romantik. Und anstellen tut der Rolf auch nix mehr.

Im Radio ist er nochmal zu hören, wie er einem Interviewer sagt:

„Ick hab ‘n geiles Leben jehabt. Kann nich klagen.“

In diesem Sinne: Hoch die Tassen!