MITTEN AUSM LEBEN

berlin, 10. juni 2015

Jetzt James Last! Schwere Krankheit. Keine letzte Tournee mehr. Tod mit 88. Ein paar Tage zuvor Pierre Brice, Lungenentzündung, friedlich in den Armen seiner Frau gestorben. Und Paul Sahner, Herzinfarkt mit 70. Das waren drei Männer, die das bunte öffentliche Leben im Lande bereichert haben. Der Eine war unser “Winnetou”, James Last trug die Verantwortung für die Gute-Laune-Party-Musik – und Paul Sahner hat die Lasts und Brices des Unterhaltungsbetriebs mit seinen Interviews begleitet. Paul Sahner war der, der die Promis “geöffnet” hat. Dann outeten sie sich schon mal und vertrauten dem Sahner und dem Volk Dinge an wie: “Ja, ich habe eine neue Liebe.”

Interviews waren ihr täglich’ Brot. Und es hat Gespräche gegeben, in denen den Medienprofis schon mal die Wahrheit raus rutschte. Das sind dann Zitate, die sie uns gelassen haben, bevor es in die Ewigkeit gegangen ist. Lassen wir die Herren also gerne noch einmal zu Wort kommen.

Paul Sahner: Fangen wir an.

Piere Brice: Was soll ich sagen?

James Last: Am liebsten rede ich lieber gar nicht. Meine Sprache ist die Musik.

Sahner: Nee. So geht das nicht. Ein gutes Gespräch bedeutet für mich, sich auch die Meinung sagen zu können.

Last: Ich bin der Meinung, dass in der Musik alles erlaubt ist, woran einer ernsthaft gearbeitet hat.

Brice: Manchmal willst Du arbeiten, aber alles kommt ganz anders. Ich habe mal als “Winnetou” am Marterpfahl gestanden, da hat mir der Bösewicht dauernd Bier eingeflößt. Ich konnte dann nachmittags gar nicht drehen – bin einfach nicht aufs Pferd gekommen.

Last: Eigentlich, wenn ich’s bedenke: Ich arbeite ja nicht. Ich mache Musik, 24 Stunden am Tag.

Sahner: Echt? Erzähl’ mal.

Brice: “Erzähl’ mal, erzähl’ mal”, das kennen wir schon! Es gibt Journalisten, die sind wie hetzende Hunde.

Sahner: Die besten Journalisten sind Straßenköter. Weil die unterwegs sind, recherchieren, teilnehmen, bellen, nicht im Elfenbeinturm abhängen. Ich will draußen sein. Also, erzähl’ mal, James.

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Kannte das Rezept des guten Tons: James Last

Last: Es war immer die Musik. Wir hatten nicht viel Geld, mein Vater war Gas-Ableser bei den Stadtwerken. Also machte er nachts Musik, für fünf Mark. Früh morgens kam er nach Hause, schlief ein bisschen am Küchentisch und ging zur Arbeit. Wir hatten nicht viel, aber Musik war Teil unseres Lebens. Ich erinnere mich, dass wir freitags nichts mehr zu essen hatten. Als kleines Kind holte ich mit meiner Mutter samstags die Lohntüte meines Vaters ab. Und dann gingen wir einkaufen: Wurstzipfel, Randstücke vom Kuchen und andere billige Reste. Zu Hause gab es ein Festessen. Wir hatten nicht viel, aber alles, was wir brauchten. Wir waren eine glückliche Familie. Wegen der Musik. Ach, es ist zum Verzweifeln. Alle reden von Frieden und es herrscht doch nur Krieg. Die Welt wäre besser, wenn die Menschen mehr Musik hörten.

Brice: Da hast Du recht. Bei manchen ist es die Musik, andere bauen Möbel, ich war mit ganzem Herzen Schauspieler. Ich hatte mal das Angebot, einen Film über den Beginn des Indochinakriegs zu machen. Ich fragte meinen Kumpel Lex Barker, ob er bereit wäre, eine Rolle als amerikanischer Journalist zu spielen. Er war sofort einverstanden. Leider starb kurz darauf der japanische Co-Produzent. Und dann auch noch Lex. Damit war das Projekt auch tot.

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Kannte alle und jeden: Paul Sahner

Sahner: Musiker, Schreiner, Schauspieler… Oder Du wirst Journalist. Leiden würde ich, wenn ich vor dem Schreiben nicht mehr recherchieren dürfte. Ich bedauere Kollegen, die nur noch schreiben.

Last: Warum?

Sahner:  Meine Eitelkeit ist meine Triebfeder. Sie ist die Triebfeder jedes guten Journalisten. Am eitelsten sind jene, die behaupten, nicht eitel zu sein.

Last: Ja klar, die Eitelkeit. Es ist doch unglaublich, welchen Erfolg ich hatte, und dass sich das Publikum in aller Welt für meine Musik begeisterte. Da muss doch einer die Hand drüber haben. Den nenne ich jetzt einfach mal Gott. Der freut sich wohl darüber, dass wir den Leuten so viel Spaß bringen. Auf der ganzen Welt, die sind uns überall hin nachgereist, nach China, nach Russland. Wenn ich aus dem Tourbus steige, stehen sie schon da. Ich sage dem Türsteher: they are all my friends, dann dürfen sie zum Soundcheck mit rein. Die Engländer waren nur die ersten, die richtig einen losgemacht haben, das deutsche Publikum schaute sich das damals aber schnell ab.

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Kannte nie einen Schmerz: Pierre Brice FOTO: BARBARA VOLKMER

Brice: Ja, das habe ich gemocht, wenn mich die Leute erkannt haben. Ich habe mich nachts oft an diese furchtbaren Momente erinnert, wo ich im Indochina-Krieg mein Leben riskiert und in einem Fall sogar wirklich geglaubt habe: “In ein paar Minuten werde ich sterben.” Das Schicksal wollte, dass ich die Möglichkeit habe, länger zu leben. Vielleicht hat es auch eine spezielle Bedeutung, dass ich als Winnetou später Pazifismus und Nächstenliebe propagieren konnte.

Sahner: Das mit dem Tod habe ich nicht an mich ran kommen lassen. Ich war gerade dran, ein tolles Buch zu schreiben. Ich habe aber oft die Interviewpartner gefragt, ob sie Angst vorm Sterben haben.

Last: Das fragen’se immer. Dann sag’ ich: Nö. Tod gehört zum Leben dazu. Wenn’s zu Ende ist, ist Ende.

Sahner: Und, Pierre: Angst?

Brice: Ach was! Verdrängung heißt in diesem Fall das Erfolgsrezept.