KINDL, KAISER & CO

berlin, 7. januar 2015     Eigentlich klingt es doch einladend: „Der KINDL BOULEVARD bietet Komfort, Modernität und Sicherheit in City-Nähe.“ Wow! Das muss ja ein schönes Stück Berlin sein, dieser „Kindl Boulevard“. Lust auf ein bisschen Flanieren? Ja? Selber schuld!

 

Gegenüber vom „Kaiser“ gibt es eine kleine italienische Bar. Dort trinken vor allem Italiener ihren Segafredo und fühlen sich wie zuhause. Sie tauschen sich aus über die Politik in der Heimat, über den Wechsel des deutschen Fußballprofis Lukas Podolski von Arsenal zu Inter Mailand. Natürlich unterhalten sie sich über die Familie und die Frauen.

Was italienische Kerle halt so zu bereden haben.

Die Männer vor der Bar haben viel Zeit. Sie beachten nicht die Passanten, die an ihnen vorüber treiben. Sie haben sich abgeschottet von der wahren Welt des „Kindl Boulevards“

 

Der großzügig angelegte KINDL BOULEVARD bietet als multifunktionales Gebäude Raum zur wirtschaftlichen Entfaltung ebenso, wie zur Unterhaltung oder der Erledigung von Alltagsgeschäften.

 

Die Betreiber des Gebäudekomplexes in Berlin Neukölln lieben große Sprüche. Waren wohl schon länger nicht am Boulevard. Der „Schlecker“, von dem sie schwärmen, ist abgewickelt. Mit der wirtschaftlichen Entfaltung haben die Mieter massive Probleme. Unterhaltung gibt es in einem Kino, vor dem vom späten Nachmittag an zornige junge Menschen die Zeit tot schlagen.

Irgendwie mag man den Bewerbern des Boulevards nicht so recht glauben.


Großen Wert legt das Management auf die Pflege des Gebäudes und Sicherheit im Haus.
Im Centerbüro vor Ort finden Mieter jederzeit Ansprechpartner.
Die im KINDL BOULEVARD angebotenen Services stellen eine intelligente Verknüpfung aller Dienstleistungen rund um das Gebäude dar.

 

Nee! Stimmt alles nicht.

Der Boulevard ist eine zugige Passage. Die überforderten Ansprechpartner helfen den Menschen vor allem, sich über den Tag und den Monat zu retten. Der Arzt behandelt im Akkord, bei ihm stehen die Patienten Schlange. Der Anwalt verwaltet Armut, streitet für seine Mandanten um Cent-Beträge und wirkt ein bisschen wie Don Quixote im Kampf gegen die Windmühlen. Es riecht schlecht auf dem Boulevard, es ist dreckig.

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Boulevard der zerbrochenen Träume: Viel geht nicht in der “Kindl-Passage”. FOTOS: DETLEF VETTEN

 

Nicht beim „Kaiser“ natürlich. Dort putzen die Angestellten den Kunden pingelig hinterher. Die wiederum verirren sich zwischen den Regalen und kaufen teure Waren für Geld, das sie eigentlich nicht haben.

 

Faire Konditionen, hauseigener Service bei ausgezeichneten räumlichen Bedingungen sind Qualitäten dieses seit 1996 etablierten Einkaufszentrums.
Der KINDL BOULEVARD wird aufgrund seiner günstigen Lage im Herzen Neuköllns und der Präsenz von
Kaiser´s Verbrauchermarkt, Restaurants, Cafés etc., sehr gut frequentiert.

 

Ehrlich?

Vor der italienischen Bar ist von der Attraktivität des „Boulevards“ nichts zu spüren. Die Menschen hasten vorbei, hier wollen sie nicht lange bleiben.

Und es gibt die Frauen und Männer, die mutlos durch den Boulevard der zerbrochenen Träume schlurfen. Nur scheinbar ziellos lassen sie sich treiben. Sie wollen in den Südflügel des Gebäudekomplexes.

Dort drücken sie sich in einen schmuddeligen Eingangsbereich (hier riecht es noch muffiger als draußen in der Passage), sie fahren in einem beklemmenden Lift nach oben, ziehen eine Nummer und warten, bis sie dran sind:

Mit Verwaltet-Werden.

Mit Entgegennehmen von Demütigungen.

Mit Sich-Schämen.

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Geschlossene Gesellschaft!

 

Sie sind angekommen, diese Frauen und Männer. Es gibt für sie keinen letzten Ausgang mehr. Es gibt kein Zurück.

Sie sind Hartz IV.

 

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