FINAL-E

TANZ DER VIREN II, Folge 106

30. Mai, das Radio überträgt eine Sonntagsmesse aus – achwas, Frau Angerer hat nicht genau hingehört.

Die Messe wird gerade in einer bayerischen Kirche abgehalten. Frau Angerer hat sich angezogen wie zum Kirchgang und rückt auf der Anrichte die Muttergottes zurecht.

Sie hat die Ahorn-Kopie der Altöttinger Madonna vor Ort am Donnerstag gekauft. Hat 70 Euro gekostet, das ist für Frau Angerer viel Geld.

Sie hat es seufzend gezahlt.

Jetzt thront die Muttergottes auf der Anrichte und ist der große Trost.

Frau Angerer hat nicht mehr gewusst, wohin mit ihrem Leben. Nach einem kurzen Aufbegehren merkte sie, dass sie so gar keine Kraft mehr hatte. Also ist sie mit der Südostbayernbahn nach Altötting gefahren, langsam den halben Kilometer zum Kapellplatz gegangen, hat die echte Madonna besucht. Danach hat sie die Kopie – handbemalt im österlichen Gewand und am Finger mit der Replik des Rings, den Papst Benedikt der richtigen Madonna bei seinem Besuch in Altötting gestiftet hat – erstanden, sorgsam in ihrer braunen Handtasche verwahrt, ist zurück zum Zug.

Nun hört sie die Messe, sieht zu ihrer Madonna hin – und wartet, dass es besser wird.

Was besser werden soll? Der Herrgott wird’s schon wissen.

© BILDKUNST JOHANNES TAUBERT