TEUTSCHER FRIEDE

coburg, 18. märz 2015

Coburg ist ein idyllischer Flecken im beschaulichen Oberfranken. Die Veste ragt 170 Meter über dem Schlossplatz, auf dem es die besten Rostbratwürst’ der Region gibt. Bis 1918 war Coburg Residenzstadt der Herzöge von Sachsen-Coburg, von der Mitte des 19. bis Ende des 20. Jahrhunderts Garnisonsstadt; seit 1971 gibt es eine Fachhochschule. Seit 2005 darf sich Coburg “Europastadt” nennen. Alles bestens eigentlich. Wenn es da nicht die Vergangenheit des fabelhaften Max Brose gäbe.

Brose (1884-1968) war ein exzellenter Geschäftsmann. In Coburg hat er ein weltweit agierendes Unternehmen aufgebaut, heute entwickelt und produziert die Brose-Gruppe an weltweit 58 Standorten in 23 Ländern mechatronische Komponenten und Systeme für Fahrzeuge. Das Familienunternehmen beschäftigte im Jahr 2014 weltweit über 23.000 Mitarbeiter. Umsatz: fünf Milliarden Euro.

Alles bestens, alles im Sinne des Firmengründers Max Brose, der von Berlin nach Coburg zugewandert war.

Doof nur, dass seine Joppe ziemlich braun gefärbt war – und dass er in der Ära des kurzen Tausendjährigen Reichs auch Zwangsarbeiter in seinen Fabriken malochen ließ. Es gibt eine Akte dazu, ernsthafte Zweifel hat niemand.

Nun hat Coburg ein Problem. Vergangenheit hin, Vergangenheit her – viele ernst zu nehmende Bürger Coburgs sind der Meinung, man könne durchaus dem verdienten Sohn der Stadt ein Strasserl schenken.

Das hat aber einigen Miesmachern gar nicht gepasst. Und so streitet man in Coburg seit Jahr und Tag über die Max-Brose-Straße. Nun hat sich auch Josef Schuster vom Zentralrat der Juden gemeldet. In einem Brief an Oberbürgermeister Norbert Tessmer, SPD, spricht sich Schuster besorgt gegen die Max-Brose-Straße aus.

In seinem Schreiben geht Schuster darauf ein, dass im Metallwerk Max Brose während der Zeit der NS-Herrschaft Zwangsarbeiter beschäftigt wurden. Dies schließe aus, dass die Stadt Coburg, die zudem die erste von Nazis regierte Stadt in Deutschland war, eine Straße nach Max Brose benennen könne.

Jetzt tritt Brose-Enkel Michael Stoschek auf den Plan. Er und Coburg sind in einen Dauerzwist verknotet – nach der Absage des Stadtrats an eine Max-Brose-Straße hatte Stoschek laufende Förderungen, die nach Coburg flossen, völlig eingestellt.

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Wenn schon nicht in Coburg – in Hallstadt gibt es schon eine Max-Brose-Straße.

 

Auf Vermittlung von Oberbürgermeister Tessmer, der seit Mai 2014 im Amt ist, hat sich die Stadt Coburg jetzt wieder an Michael Stoschek angenähert. “Unser aller Ziel muss es sein, die persönlichen Diffamierungen der Familie Stoschek zu revidieren, und den langjährigen Streit, nicht zuletzt zum Wohle unserer Stadt, beizulegen.”

Stoschek (“ich bin meinem Großvater unendlich dankbar”) hat den Historiker Gregor Schöllgen beauftragt, die Vergangenheit von Max Brose aufarbeiten zu lassen. Dass der Opa Parteimitglied in der NSDAP war, zum Wehrwirtschaftsführer berufen wurde und Zwangsarbeiter beschäftigte, “sind Fakten”, so Stoschek, die niemand bestreitet.

Auch den Vorwurf, die Firma seines Großvaters habe Zwangsarbeiter beschäftigt, bestreitet Stoschek nicht. Aber wurden Zwangsarbeiter nicht auch von anderen Betrieben, der Stadt Coburg und von den Kirchen eingesetzt?

Es gehe nicht darum, dass man Zwangsarbeiter beschäftigte, so die fränkische Argumentation. Sondern darum, wie man sie behandelt hat, und in diesem Zusammenhang habe sich Max Brose nichts vorzuwerfen.

Also alles bestens? Schon, wenn man der Fraktionsvorsitzenden der SPD, Bettina Lesch-Lasaridis, glaubt. Die erklärt fest und frei von Zweifeln: “Nachdem, was man so über Max Brose hört, war er ein guter Mensch.”

Und so zieht dann wohl doch wieder ein teutscher Frieden ein in der schönen Residenzstadt. Wie heißt es so schön auf der Homepage: “Coburg spannt den Bogen zwischen Geschichte und Moderne, verbindet Altes gekonnt mit Neuem. Nicht umsonst lautet das Stadt-Motto “Werte und Wandel”. Hier hat man ein ebenso feines Gespür für Tradition wie für Innovation. Und zwar im wirtschaftlichen wie im kulturellen Bereich. In Coburg versteht man es, nicht nur erfolgreich zu arbeiten, sondern auch vorzüglich zu leben. Entdecken Sie Coburg!”