LOVE PARADE

20. april 2017         ———         DER NEUE, Tag 91

Hameln/Washington

 

„Umgebt Euch mit Menschen, denen Ihr vertrauen könnt. Oft ist es gut, paranoid zu sein, aber das gilt nicht für den engsten Mitarbeiterkreis. Man muss nicht schön sein, um für mich zu arbeiten – man muss nur seine Arbeit gut erledigen.“ Donald Trump über sein Personal. Die Leute aus seinem Umfeld sind von einer eiskalten Freundlichkeit. Sie sagen nie „Nein!“. Sie lächeln, bis dem Gegenüber das Blut in den Adern gefriert. Sie gehen durch den Chef über weiß glimmende Glut.

 

Emil Busching war ein Getreuer des „Führers“. Gefreiter mit E.K. II und Verwundetenabzeichen. Friseurmeister am Münsterkirchhof zu Hameln. Später Bürgermeister der Stadt. NSDAP-Mitgliedsausweis mit der Nummer 725549. Säuberte Hameln von den Juden und wurde dafür von höchster Stelle belobigt.

Als Verkehrdirektor der Stadt richtete Busching für Adolf Hitler das Reichserntedankfest auf dem Bückeberg aus. Das war nach dem Reichsparteitag in Nürnberg und der Nazi-„Love-Parade“ am 1. Mai die drittgrößte Massenveranstaltung in Deutschland. 3000 Ehrengäste, eine Millionen Besucher – die Arena hatte sich der oberste Architekt des Dritten Reichs, Albert Speer, ausgedacht:

Speer ließ zwei Tribünen errichten, eine größere auf der Höhe des Berghanges für die Ehrengäste mit einem gewaltigen vorgelagerten „Erntealtar“. Die zweite Tribüne – von den Organisatoren „Pyramide“ genannt – stand am Fuße des Berges. Sie war Hitler und seinem engsten Gefolge vorbehalten. Beide Tribünen verband ein 800 Meter langer, aufsteigender Weg, der mitten durch den riesigen Festplatz und die Teilnehmermassen führte.

Die Fahnenmasten rund um den Festplatz: grob behauene Fichtenstämme. Die Tribünen: rohes Holz. Speer hatte den Auftrag, einen germanisch-groben Schauplatz für eine faschistische Gang-Bang-Sause zu ersinnen. Alles war bereit für die Klimax. Während die Massen der Festteilnehmer den Platz über große Treppen von den Seiten her betraten, penetrierte der Führer sein Volk auf dem Mittelweg.

Geiles Spektakel. Sonderlob für Busching, der die Party alljährlich aufs Feinste vorbereitete.

 

Wir schreiben nun April 2017. Vor rund drei Monaten hat Donald Trump einen seiner ersten Wutanfälle im Amt gehabt. Da wollte er sich von seinem Volk so feiern lassen, dass Washington beben sollte. Aber es sind nicht so viele Menschen gekommen, wie er sich das ausgemalt hatte.

Der Präsident hat seine Mitarbeiter ordentlich in den Senkel gestellt. Danach erklärte er der Welt, dass bei seiner Amtseinführung wahnsinnig viele Menschen gewesen seien, und wer etwas anderes behaupte, sei selber fake.

 

Seither gab es noch keinen Anlass zu einem schönen großen Aufmarsch. Langsam möchte Mister Trump dann doch ein wenig sauer werden.