LOS GEHT’S

29. april 2017      ———–       DER NEUE, Tag 100

Washington/Brocken im Harz/Berlin/London

 

Washington.

Donald Trump ist sehr zufrieden – wer das nicht nachvollziehen kann, ist selbst ein Idiot:

“Die Lügenpresse hat es nicht kapiert. Sie sieht einfach nicht, was wir erreicht haben. 28 Gesetze unterschrieben. Die Grenzen stark gemacht. Die Zuversicht im Land ist riesig!”

“Lou Dobbs – er ist ein Guter – hat gerade erklärt, dass die ,Erfolge des Präsidenten Trump unerreicht in der jüngeren Geschichte der Vereinigten Staaten’ sind. Danke, Lou!”

“Hundert Tage rum. Angetreten mit einer neuen Strategie. Das Oval Office im Sturm erobert. Alles ist gut. Wir sind eine Regierung FÜR Das Volk, gewählt VOM Volk. 100 Tage – und das ist erst der Anfang.”

 

Brocken.

Das Feuer ist niedergebrannt. Die vier Weinseligen lassen die Köpfe hängen und murmeln schwer Verständliches. Fred lallt, der Bruder habe ihn um seine beste Freundin gebracht, weil er ihn als Säufer angeschwärzt habe. Monaco redet mit einem “Spatzl”, das endlich von den Bermudas oder den Bahamas oder den Seychellen zurück kommen solle – bevor dieser Trump den Dritten Weltkrieg vom Zaum brechen würde. Der Heine mischt sich ein und erklärt schwerzüngig, ein Schwachkopf wie dieser Trump könne nie und nimmer so einen großen Krieg führen. Woraufhin der alte Herr Goethe aufwacht und mit Entschiedenheit postuliert:

“Meine Herren, unterschätzen’Se die Schwachköppe der Welt nich. Die sind von robuster Natur.”

Quietschend öffnet sich die schwere Tür der Baude, und aus dem Schneetreiben tritt der wackere Harz-Chronist J. H. Frauenstein in die rauchgeschwängerte Stube. Lächelnd sieht er auf die müden Trinker und stimmt den Abgesang an:

„Plötzlich künden die Hähne den nahenden Morgen an – und pfeilgeschwind, wie sie gekommen, reitet die Hexen- und Zaubersippschaft von dannen und bald ist jede Spur des höllischen Festes und seiner Genossen verschwunden, ohne daß letztere sich einander erkannt hätte.“

Der Spuk ist vorbei. Es ist nie etwas gewesen. Oder doch?

 

Berlin.

Beim McFit in Britz guckt einer in den Spiegel. Vor ungefähr hundert Tagen hat er seine Wampe bei diesem Anblick gehasst. Dann hat er drei Monate nur trainiert und sich um sich selbst gekümmert. Jetzt ist er ein Bodybuilder.

Zeit, mal wieder was zu lesen. Der Bodybuilder lässt sich in eine Couch sinken und greift sich die Zeitungen. Da steht:

„Trump tut sich schwer. Sehr schwer. Der Mann, der dachte, die US-Präsidentschaft sei nicht viel mehr als der Vorstandsposten eines besseren Unternehmens, muss gestehen: ,Ich sehe gerade erst, wie groß das alles ist.‘

Ein guter Teil seiner im Wahlkampf hochgehandelten Themen hängt im politischen Nirwana, weit entfernt von jeglicher Realisierbarkeit im politischen Tagesgeschäft. ,Werden sich Trump und die Republikaner im Kongress jemals verstehen?‘, fragt der Chefkorrespondent der ,Washington Post, Dan Balz.

Selbst Trumps Haussender Fox News argumentiert: ,Was auch immer passiert, Trump verfehlt in dramatischer Weise seine selbst gesteckten Ziele.‘ Jonathan Alter, politischer Kommentator in Diensten des liberalen Senders NBC, sieht es noch deutlicher: ,Dies sind die schlechtesten 100 Tage, seit diese Messlatte eingeführt wurde.‘

Gemessen am bisher Erreichten ist Trump ein politischer Hochstapler. ,Eines nach dem anderen, lösen wir unsere Versprechen ein‘, twitterte der Präsident. Viel mehr, als er einlöst, muss er allerdings brechen: Die Abkehr von Obamacare – er scheiterte, trotz republikanischer Mehrheit in beiden Kongresskammern. Ein Einreisestopp für Menschen aus vorwiegend muslimischen Ländern – die Gerichte stoppten ihn. Der Mauerbau an der Grenze zu Mexiko – seine eigene Partei stellt ernste Fragen.

Seine Gesundheitsreform, die gerade vorgestellte Steuerreform?

Was Trump präsentiert hat, löst international Kopfschütteln aus.

In den Think Tanks Washingtons wird über etwas anderes nachgedacht: über einen Krieg, per Zufall. Angezettelt aus Wut oder Frust. ,Wie der Präsident in einen Konflikt stolpern könnte‘, überschreibt Philip Gordon seinen Essay über Trumps Kriegsbereitschaft in dem außenpolitischen Fachorgan ,Foreign Affairs‘.

Trump spaltet vom Weißen Haus aus weiter die Nation, die unter seinem Wahlkampf schon auseinanderzubrechen drohte. Wer ihm widerspricht, wird beleidigt, unliebsame Medienberichte sind für ihn Fake News, Zehntausende Demonstranten, die fast jedes Wochenende gegen Trump auf die Straße gehen, sind in der Trump’schen Wahrnehmung von linken Medien aufgestachelte Spinner. Die Medien als Volksfeind.

Die Meinungsforscher ermitteln die schlechtesten Umfragewerte, die je ein Präsident zur 100-Tage-Marke vorweisen konnte. Nur um die 40 Prozent sind in den meisten Erhebungen mit Trump und seinem Wirken einverstanden – verheerend.“

Der Bodybuilder in Britz legt die Zeitungen zur Seite und saugt den Rest aus der Bottel mit Eiweißdrink. Soll der Typ in Amerika machen, was er will – egal, am Ende gewinnt ohnehin der mit den größten Muskeln.

 

London.

Am Abend verliert im Wembley Stadion vor 90000 Zuschauern der ehmals unbesiegbare Wladimir Klitschko seine letzte Siegfried-Unschuld. In Runde elf wird der Boxer aus der Ukraine von einem mächtigen Neger aus England auseinander genommen, taumelt hilflos in eine „historische“ Niederlage.

Nach dem Kampf sieht Klitschko (einer, den man sich früher nur als strahlenden Helden vorstellen konnte) aus wie ein alter Mann, der nicht mal mehr die Kraft zum Heulen hat.

Ein großer Muskelmann, selbst schon alt und Ehrengast in der ersten Reihe, ballt die Faust in die Kamera, zeigt seine weißen Zähne und sieht immer noch aus wie ein Gewinner.

Arnold Schwarzenegger hat sich gut amüsiert, als sich im Ring die zwei Männer verprügelt haben. Nun wird er zurück fliegen in sein Amerika, wo er sich was ausdenken muss für Youtube. Da macht er nämlich Front gegen diesen Präsidenten, den er noch nie hat leiden können.

Arnold Schwarzenegger ist kein Feigling. Und er hat sich vorgenommen, in den Ring zu steigen. Wie einer von vielen 100000 Menschen, die sich in den ersten hundert Tagen an Donald Trump die Zähne ausgebissen haben.

Noch wackelt Trump nicht. Also wird Schwarzenegger nicht müde, die Zähne zu blecken und in die Kamera zu knurren:

„DER MANN KANN ES NICHT. ER KÜMMERT SICH NICHT UM DIE MENSCHEN, ER HAT KEINE AHNUNG VON DER POLITIK, ER IST NICHT LERNFÄHIG. ICH HABE IHM ANGEBOTEN, ICH WÜRDE SEINEN JOB ÜBERNEHMEN. NICHT, WEIL MICH DAS SO REIZEN WÜRDE. ICH HABE SCHÖNE DINGE IN MEINEM LEBEN VOR. PRÄSIDENT-SEIN GEHÖRT NICHT DAZU.

ABER ICH SEHE JA, WIE ER ES VERMURKST. JEMAND MUSS DEN MANN STOPPEN.“

 

In Washington nimmt der Präsident solche Anwürfe sehr wohl wahr. Dann bekommt er ganz schmale Lippen, und die Augen werden Schlitze. Er greift zu seiner Allzweckwaffe.

Und feuert die Buchstaben in die Cloud:

DAS IST ERST DER ANFANG!