LAUF!

“D 2017”, Folge 7, 24. September, nass.

Der Göki vom Spätkauf hat schlechte Laune. Es ist kurz nach sieben, Göki schneidet die Banderolen der Sonntagszeitungen durch und hadert.

„Marathon! Wahlen! Was für ein Scheiß! Die Stadt ist dicht. Was müssen die rum rennen, und am gleichen Tag sind Wahlen.“

Wie soll man ein geordnetes Sonntagsgeschäft machen, wenn eine ganze Stadt in den Ausnahmezustand abrutscht?

Nein, wenn es nach Göki geht, braucht man das alles nicht.

Keinen Sport und keine Politik. Bringt doch nichts.

 

Drei Stunden später kommen die Ersten zum Kleistpark. Göki und seine Stammgäste können sehen, wie rappeldürre Afrikaner hinter einem Wagen mit Blaulicht her hetzen, um die Kurve biegen und in der Grunewaldstraße verschwinden. Schneller als Radfahrer sind sie.

Respekt. Gökis Kunden stoßen aufs Schnell-Laufen an.

 

Ein trister Tag. Die Kenianer und Äthiopier müssen sich durch Landregen rabotten. Bei der Bülowkneippe/gegenüber dem Finanzamt scheint der Äthiopier den „Sack“ zuzumachen.

Aber der Kenianer holt ihn ein und lässt ihn hinter sich. Erster.

 

Stunden später am Wittenbergplatz. Der „Lumpensammler“, der „Besenwagen“ tuckert längslang.

Er nimmt die letzten Lahmen auf. Hinter ihm ist Schluss.

Nein.

Maria aus Brasilien. Ist ihr doch egal, dass sie mehr als hintendran ist.

Sie ist eine schöne Frau, mit harten Augen. Sexy, mit dem Abdruck des Panty, wo es hin gehört.

 

Maria.

Aufgewachsen neben der Favela.

Eine kluge Frau.

Hat sich hoch gearbeitet, bis die Firma sie nach London schickte. Dort haben ihr Kollegen die Teilnahme am Berliner Marathon geschenkt.

Und jetzt muss sie da durch.

Nollendorf.

Die Helfer lassen die Luft aus dem 38-Kilometer-Tor raus. Der „Besenwagen“ ist passée. Drin sitzen die, die gar nicht mehr konnten, Drin riecht es nach Schweiß, und die Sportler schämen sich.

Das 38-Kilometer-Tor ist passée, platt.

Dann kommt Maria.

 

Aufgewachsen in Rui Barbosa. Sie ist eine schöne Frau. Dunkle Haare, kurz geschnitten. Stramme Fesseln. Maria wandert, schön, durch Berlin.

Bülowstraße.

Sie wird das nun zu Ende bringen. Oh, wie weh das Gehen tut.

Vielleicht haben die Kollegen ihr das Geschenk gemacht, um sie scheitern zu sehen. „Die Maria! Tut so, als könnte sie alles. Ist immer frisiert und piccobello. Wir wollen sie stolpern sehen.“

Jetzt hat sie noch vier Kilometer – und das ist so fern.

Maria befiehlt ihren Füßen den Gang.

Sie marschiert ohne Hoffnung.

Da ist sie wie Martin Schulz. Der will für die Sozis Kanzler werden, doch eine Chance hat er nicht. 

Kurz nach fünf geht Maria aus Brasilien unterm Brandenburger Tor durch, Keiner klatscht, niemand jubelt.

 

Maria lächelt, Und die „Gold-Else“ wohl auch.