DARLING?

26. april 2017         —————           DER NEUE, Tag 97

Washington/Brocken im Harz

 

„HAPPY BIRTHDAY TO OUR FIRST LADY MELANIA!“

So twittert der Präsident um 7:53 Uhr an Tag 97 seiner Amtszeit. Er hat seine Blase entleert, hoffentlich die Hände gewaschen und die Zähne geputzt – dann hat er sich gleich darum gekümmert, dass die Welt mit bekommt, dass sein Schatzl Geburtstag hat. Flankierend stellte er ein hübsches Foto auf Facebook. Vorneweg läuft er und zieht Melania am Händchen hinter sich drein. Er hat helle Haare, sie trägt ein schickes blaues Kostüm. Er ist der Star – und sie sieht auch ganz vorzeigbar aus.

Tja, diese Ehe! Melania hat angekündigt, sie werde sich jetzt vermehrt um den Garten hinterm Weißen Haus kümmern. Dabei wissen alle, dass sie keine Ahnung von Ackerbau und Viehzucht hat. Sie hat gesagt, dass sie bald umziehen könnte von New York nach Washington. Dabei wissen alle, dass sie das Weiße Haus nicht ausstehen kann. Sie hat erklärt, ihr Männe mache seine Sache prima.

Dabei ist sich auch Trump-Biograf David Cay Johnston nicht sicher, wie es wirklich steht um die Loyalität in dieser Ehe. Der Autor von „Die Akte Trump“ erklärt im Interview: „Liebe wie unter Eheleuten? Das weiß am Ende natürlich nur Trump selbst. Doch wir müssen uns nur seine Vergangenheit ansehen. Er ist zum dritten Mal verheiratet. Er hat mit seiner ersten Frau in einem Scheidungskrieg gelegen und später kaum Kontakt mit seinen drei ältesten Kindern gehabt. Erst als sie erwachsen waren und Geld verdienen mussten, entdeckten sie plötzlich, wie wundervoll Daddy ist.“

Liebe?

Eigentlich liebt der Präsident nur seine Tochter Ivanka und vor allem sich.

 

97 Tage sind in die Welt gegangen, seit Donald Trump zu regieren begonnen hat. Seither war er immer bei uns: in West Virginia und in Tirol, in der Mark Brandenburg und Florida, in Berlin und in Washington.

Nun sind wir im Harz gelandet. Wir wischen uns den Schweiß von der Stirn und blicken vom Brocken hinunter in die deutschen Lande. Wir sind die Herrscher. Uns kann keiner, wir fühlen uns wie anno 1853 J. H. Frauenstein, als er in „Romantische Harzwanderung: Sagen, Mährchen und Legenden des Harzes aus Volks- und Dichtermunde“ geschrieben hat:

Wenn der scheidende Aprilmond die letzten Reste des Winters von dannen führt, und mit dem lieblichen Mai der junge Frühling wieder kommt, dann – in der Walpurgisnacht – pomadisieren sich die Hexen, alte und junge, schöne und häßliche, mit duftiger Salbe, um federleicht zu werden und mit dem Sprüchlein „Oben hinaus und nirgends an!“ zum Schornstein hinaus zu kutschieren. O welch’ ergötzlicher Reiterzug!

„Es trägt der Besen, es trägt der Stock,/Die Gabel trägt, es trägt der Bock!“

Von nah und fern, von jedem Ort, aus allen Landen, strömt es herbei, durchsaust die Lüfte im tollsten Galopp und verfinstert wie eine undurchdringliche Wolke, noch mehr die dunkle Nacht. Die Kuppe des Blocksberges ist das Ziel der Wallfahrt. Dort steht Herr Urian, der Großmeister des noblen Ordens, schon auf der Teufelskanzel und heißt in wohleinstudierter Rede die liebwerten Freundinnen willkommen.

Bald flackert ein lustiges Feuer empor, und teuflische Musikanten geigen und flöten die reizendsten Stücke, da hüpfen die Füße der Tänzerinnen, die Hände verschlingen sich – und auf dem Hexentanzplatz des Brockens führt die Schar im wilden Rausche den tollsten Reigen auf, hoch die flammenden Feuerbrände schwingend, bis sie, erschöpft und ermattet, keuchend niedersinkt. Doch die schwarze Höllenmajestät hat schon für Stärkung und Erquickung seiner Gemeinde gesorgt. Auf dem Hexenaltar glüht der Krötenkessel mit der schäumenden Höllenbrühe und in dem Hexenbrunnen perlt glühender Feuerwein. Nun lebt alles lustig und in Freuden.

„Man schwatzt, man trinkt, man scherzt, man liebt;/Wer sagt mir, wo’s was Bessres gibt?“

Und ist der Schmaus beendet, dann eilen die Schönen zum Teufels-Waschbecken, säubern sich fein und empfangen von dem Großherrn den Huldigungskuß, der darauf Höllenorden und rotglühende Dosen an seine Gemeinde austeilt.

 

„Spürst Du es auch“, fragt der Heine.

„Was?“, meint der Goethe.

„Naja, that same old feeling in my heart.“

„Ach, Du immer mit Deinen amerikanischen Liedern. Seit der Sinatra bei uns ist, singst Du nur noch den Mist von dem Kerl.“

„Na, sind doch gute Lieder“, erklärt der Heine. „Ich habe nun das alte Gefühl von damals, als ich zum ersten Mal auf den Brocken gewandert bin. Und Du musst es doch auch spüren. Warst ja auch heroben.

Aber mal was ganz Anderes: Lass uns rein gehen, drinnen ist aufgetischt.“

Ja, stimmt Johann Wolfgang zu. Man habe genug Landschaft gesehen. Nun wolle man ein wenig über die Weltenläufte räsonnieren. Sei man denn heute nur zu zweit?

Nein, der Fred aus Amerika und der Franz aus München hätten sich auch angesagt. Die würden wohl bald…

„Ach, da unten sind sie ja.“

Fred und Monaco mühen sich die letzten Meter zum Gipfelplateau hoch. Fred – der hatte ja mal die Kondition eines Eins-A-Piloten, aber die hat er komplett versoffen – schnauft wie die Harzer Schmalspurbahn, der Monaco hat es im Rücken und hatscht wie ein alter Mann. Prustend und schwitzend erreichen sie die Dichter.

„Hi“, sagt man und ist sich sympathisch.

Man kommt gleich zur Sache. Drinnen sei aufgetischt, wiederholt Heine, alle nicken begeistert.

Die schwere Tür des Brocken-Hauses quietscht, die vier Figuren verschwinden im Gebäude – und bald ist aus der Baude fröhliches Lachen und ausgelassenes Pokulieren zu hören.