BLÜHT WIE BLÖD

lindow, 17. juni 2015

Ratlosigkeit: Dieses Kraut ist ein kleines Glück. Es gedeiht und ist von einem sprudelfrischen Grün. Es schießt in die Höhe, das Grün wird stärker, die Stiele robuster. Es vermehrt sich – und der erste Jubel des Gärtner-Novizen weicht ungläubigem Staunen. Diese Minze vermehrt sich, ohn’ Unterlass und ohne Scham. Sie schubst den Salat zur Seite und kugelt die Kohlraben aus der Balance. Sie wandert sogar an den Rand des Beets und lugt ins Grundstück. Die Minze hat was von dem “Schwarm” bei Schätzing. Wenn man da nicht aufpasst, übernimmt sie die Welt.

Jetzt bekommt der Gärtner-Novize eine deftige Lektion im Fach “Dialektik” – das ist vereinfacht die ie Lehre von den Gegensätzen in den Dingen beziehungsweise den Begriffen sowie die Auffindung und Aufhebung dieser Gegensätze.

Grob gesagt: Dass jede Rose Dornen hat, das ist Dialektik. Dass das Springkraut sich sehr hübsch in Szene setzt, aber mit mörderischem Egoismus alle Pflanzen der Nachbarschaft verdrängt – das ist der Gegensatz von schönem Schein und bösem Sein.

Und die Minze:

DAS IST DIALEKTIK PUR!

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Zart naht das Unheil.

Pefferminzpflanzen wuchern und wandern gerne. Ihr Wachstum dämmt man ein, indem man sie in Töpfen, deren Boden man vorher mit einem Messer abgeschnitten hat, in die Beete setzt. (Aus der Fachliteratur)

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Die Pfefferminze wächst in jedem Garten. Am liebsten mag sie Moor- und tonigen Kalkboden, dann treibt sie es besonders wild. Die Pflanze wird 30 Zentimeter bis zu einem Meter hoch. Sie hat vierkantige Stängel und die länglich-elliptisch, schmaler werdenden und am Rand grob gezahnten Blätter. Die rosaroten Blüten stehen in oftmals unterteilten, ährenartigen Blütenständen. Die heutige Minzart stammt von einem in England aufgetretenen Bastard ab. Seither wird die Kreuzung aus Mentha crispa und Mentha aquatica kultiviert.

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Bald ist man sich gar nicht mehr grün.

“Die Pfefferminze ist außerordentlich pflegeleicht”, sagt Stefano Airoldi, eidgeprüfter Dipl. Pharmaberater und Kräuter-Pfarrer, “sie kann sich jedoch wie Unkraut verbreiten, wenn sie nicht konsequent auf eine Fläche begrenzt wird”.

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Die Pfefferminze bildet zahlreiche unter- und oberirdische Ausläufer. Wobei nur die unterirdischen der Vermehrung dienen. “Die Wurzeln sind zum Teil tiefer als 20 Zentimeter und immer auf der Suche nach Wasser. Wie viel von der Pflanze angebaut werden muss, hängt vom Bedarf ab. Für gelegentliches Würzen oder frischen, aromatischen Tee reicht etwa eine Fläche von einem Quadratmeter. Soll ein eigener Wintervorrat angelegt werden, kann eine einfache Rechnung helfen, den Aufwand zu ermitteln: Um 200 Gramm Tee zu erhalten, muss ein Kilo frischer Pfefferminz-Blätter geerntet und getrocknet werden.

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“Sie neigt zum Wuchern – lassen Sie ausreichend Platz zu den nächsten Pflanzen. Bevor Sie das Kraut in das Beet einpflanzen, sollten Sie eine Wurzelsperre einbringen. Ansonsten haben Sie irgendwann sehr viel Pfefferminze im Garten. Alternativ können Sie den Lippenblütler auch mit einem Topf in die Erde setzen oder auch in einem schönen Kübel auf die Terrasse stellen.” (Panorama)

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And the Winner is: Minze!

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Aus der englischen Küche ist Pfefferminze nicht wegzudenken und gilt neben Thymian als wichtigstes Gewürzkraut. Die Türken schätzen sie als frische Joghurt-Beigabe. In Thailand werden Fischsuppen oder Hühnergerichten mit Minze gewürzt.

Das ätherische Öl der Pfefferminze besteht hauptsächlich aus Menthol (bis zu 50 Prozent), Menthon (10-30 Prozent) und Menthylacetat. Menthol und Menthylacetat sind für den erfrischenden und scharfen Geschmack verantwortlich. Beide Ölbestandteile finden sich vor allem in älteren Blättern und werden dort mit Hilfe von Sonneneinstrahlung gebildet. Je intensiver und länger diese ist, desto höher ist der Gehalt des ätherischen Öls – deshalb schmecken und riechen Pfefferminz-Arten aus den südlichen Ländern auch viel intensiver als in nördlichen Breitengraden.

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Der Topf dient als Wurzelsperre für die Pfefferminze, erklärt die Zeitschrift «Garten Flora». Damit die wandernden Pflanzen auch wirklich darin bleiben, sollte der Topfrand drei bis fünf Zentimeter aus der Erde ragen.

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Wissenschaftler vom Hygiene-Institut der Universität Heidelberg fanden heraus, dass Pfefferminzöl virushemmende Eigenschaften bei den beiden Herpes-simplex-Virus-Haupttypen (HSV 1 und HSV 2) hat. Höhere Konzentrationen des Pfefferminzöls verringerten die Viruskonzentration im Nährmedium um mehr als 90 Prozent. Die virushemmende Wirkung entfaltet sich dabei zeitabhängig und erreichte drei Stunden nach Beginn der Inkubation eine Virusabtötungsrate von etwa 99 Prozent.

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Und irgendwann hat das Beet den Salat. FOTOS: BARBARA VOLKMER

Während viele Pflanzen der Naturheilkunde wegen der angeblich ‘nicht nachweisbaren Wirkung’ in der Schulmedizin wenig Beachtung finden, hat die Pfefferminze einen unangefochtenen Stand. Die Studienlage ist beeindruckend. Unter dem englischen Stichwort “peppermint” werden bei einer Internetrecherche bei der international renommierten “National Library of Medicine” (größte Bibliothek der Medizin/USA, www.ncbi.nih.gov) etwa 300 Studien und Untersuchungen gelistet.

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Es könnte alles so schön sein.

Aber es kann auch entgleisen, wie bei “frag.mutti.de” aufgeschrieben. Da erzählt Valentine: “Pfefferminze wuchert wie wild, kann im Lauf der Jahre mehr oder weniger den halben Garten vereinnahmen. Wer das nicht will, kann die Minze mit einer Rhizomsperre Grenzen setzen: man nimmt einen alten Eimer, Kübel oder dergleichen, schneidet den Boden raus und versenkt das Ganze an der Stelle, an der die Minze dann bleiben soll, in den Boden sodass der obere Rand auf Bodenebene ist. In die Mitte die Minze pflanzen und sie bleibt wo sie sein soll. (Funktioniert auch bei anderen wuchernden Pflanzen wie Bambus). Trotzdem: das Zeug blüht wie blöd.”

Und Mikro antwortet: “Habe gerade letzte Woche Pfefferminze ausgebuddelt, weil die Wurzeln sich schon in den Rasen verabschiedet hatten. Mann, war das eine Arbeit. Nun ist sie im Topf. Ich trinke gerne Selters mit frischer Pfefferminze drin und ein Stueck Zitrone.”

Na, denn prosit!